Rezensionen zu „Über die Tücken des Alkoholismus in Verbindung mit Kohleheizung“

Erschienen in: Buchinformationen. Autor: Manfred Orlick

Sallmann, Salli: „Über die Tücken des Alkoholismus in Verbindung mit Kohleheizung“

Lyrik hat es bei Verlagen und im Buchhandel schwer, moderne Lyrik insbesondere.
Die Auflagen sind meist gering und die Resonanz bei der Leserschaft bescheiden. Aber Gott sei Dank gibt es noch Gedichteschreiber. Salli Sallmann ist bereits zu DDR-Zeiten als solcher hervorgetreten, mit angeblich staatsfeindlichen Gedichten, die ihn sogar in den Stasiknast brachten.
Inzwischen ist der 53-jährige Redakteur beim öffentlich-rechtlichen Rundfunk geworden, doch vom Verseschmieden kann er weiterhin nicht lassen.

In den letzten Jahren legte er verschiedene Veröffentlichungen mit Gedichten und Liedtexten vor, dazu CDs mit Rocksongs. Das nun erschienene Bändchen mit dem überraschenden Titel „Über die Tücken des Alkoholismus in Verbindung mit Kohleheizung“ versammelt neben ausgewählten Gedichten aus drei vorangegangenen Lyrikbänden neue, unveröffentlichte Gedichte, Balladen und Kurztexte.

In allen Gedichten begegnet uns der genaue Blick des Autors, der sich auf Menschen und den Alltag einlässt. Dabei sind die kurzen Vierzeiler oder die längeren Balladen begleitet von kritischen Reflexionen.

Das lyrische Ich taucht nur sporadisch auf, meist sind es die kleinen und unscheinbaren Dinge am Rande des Lebens, denen sich Salli Sallmann widmet, wie in „Der Goldfisch im Gurkenglas“ oder „Campingplatz-Grillparty“. Die Gedichte bilden häufig mit ihrer bissigen Ironie eine Melange aus Bänkelgesang, Kneipenpoesie und Jahrmarktslyrik. Dass Sallmann ein lyrischer Umstürzler ist, beweisen seine „00-Gedichte“ unter dem Motto „Der Blödsinn, wenn er Sinn haben soll, muss blöd sein“.

Die Gedichte lassen sich einfach lesen, aber sie sind nicht einfach daher geschrieben, denn die Wortwahl reicht von doppeldeutigen Formulierungen bis zu anspruchsvollen Wortspielen („Gestern existiert nicht / Heute ist zerstritten / Morgen ist ein Irrtum / Ich darf um Ruhe bitten“).

Wer also offen für kritische und morbide Gedanken ist, sollte diese Lyrikausgabe zur Hand nehmen. Der vielsagende Titel passt wie die Faust aufs Auge. Alles zusammen reizt im besten Sinne zum Stöbern und Verweilen in diesen reichlich hundert Seiten. Mit Fug und Recht kann man sagen: Sallmanns Gedichte gehören zum Vergnüglichsten und Groteskesten auf dem Lyrikmarkt.

 

Übersprung mit Regenschirm

Eine Dichterstimme aus Kreuzberg meldet sich wieder: Salli Sallmann liefert Balladen, Aphorismen und Kürzestgeschichten. Von Olaf Leitner

„Aus dem Schmutz, nicht aus der Höhe, springen meine Verseflöhe“. Damit wäre schon alles gesagt. Wenn ein Lyrikbändchen dann noch „Über die Tücken des Alkoholismus in Verbindung mit Kohleheizung“ heißt, ist man vor ranziger Goldschnittpoesie oder den üblichen Worträtseln für Dechiffrierfetischisten sicher. Salli Sallmann, Literaturredakteur, Liedersänger und ironisch-komisch-philosophischer Verseschmied, hat Gedichte, aber auch Texte über skurrile Loser und andere Heroen zusammengestellt, die man auch unter der Sallmann-Zeile „Ich sage Muh. Ich sage Mäh. Das ist mein Selbstporträt!“ subsumieren könnte. Auf jeder Seite des Buches finden sich Worte, die man lustvoll zitieren möchte – voll mit intelligentem Wahnwitz, mit Weisheiten, Frechheiten, mit Melancholie, mit doppelbödigem Flachsinn. Und mit Aphorismen, denen man ein „Genauso ist es!“ zu brüllen möchte: „Eine Liebe muss wohl sehr heiß sein und brennen, bevor eine ordentliche Hölle daraus werden kann“.

Es geht um die Einsamkeit des Poeten und um Einsamkeit überhaupt. „Der Dichter Braambel saß in einer Kneipe und wartete. Er hatte eine Verabredung mit einem Gedicht. Aber das Gedicht kam nicht.“  Selbst die Fantasie lässt einen allein. Bleiben nur absurde Aktionen wie das Buhlen um das Lustobjekt Regenschirm als Übersprungshandlung. Oder es bleibt der Suff, der noch den letzten Rest der Sinne trübt. Und wer hat es folgerichtig gewagt, das Klo zur Wallstatt für Meditationen und Mensch(en)erkenntnis hochzujubeln?

Die Gedichte und Texter sind sorgfältig gesponnen, auf Pointen hin strukturiert, die stets wieder überraschen, weil sie nahe liegend sind. Man ist nur nicht selbst drauf gekommen. Sallmann, zu dessen intensivsten Lesern die Stasi gehörte, die ihn seinerzeit wegen staatsfeindlicher Poesie in den Knast steckte, Sallmann also liebt es, scheinbar banale Situationen abzuschildern, um sie dann ins Aberwitzige zu wenden. So wird das gemütliche Grillfest zur kannibalistischen Orgie hochgeschaukelt. Völlig normal. Wie alles Verrückte.

 

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