Salli Sallmann „Kippen unterm Strauch”
Chauvinist
Schön ist es im Mai in Berlin.
Endlich verdunstet der Kummer.
Die große Liebe ist dahin.
Die große Leidensnummer.
Am Gehsteig flaniern wieder Ziegen
Und zeigen wer weiß was für Spitze.
Ich werd wieder dick, muß mich wiegen
Und reiß wieder böse Witze.
Im Biergarten sitz ich und freu mich:
Das Leben fängt wieder an.
Wie schön, daß ich chauvinistisch
Der Kellnerin nachgaffen kann.
Ballade vom Fledermaus
Herr Fledermaus und Frau Mausmann
Flogen durch Rimini.
Nacht war, das Meer stank, er stank.
Warum stinkst du? fragte er sie.
Frau Fledermaus sagte zum Mausmann:
Ich stinke nicht, du stinkst hier.
Du glaubst nicht? So flieg doch zur Kneipe
Und trink Kammerjägers Bier!
I pfui! rief der Kammerjäger:
Wie scheußlich dieser Gestank!
Als er sah, daß an seinem Bierglas
Herr Fledermaus hing und Bier trank.
Herr Fledermaus hing und trank Bier aus
Herrn Kammerjägers Bierglas.
Er dachte noch, als er sich selbst roch,
Dem Jäger entwiche ein Gas.
Dies sagte er laut und vernehmlich
Dem Jäger in dessen Fratze:
Du Kammerjäger stinkst mich an,
Es ekelt mich sehr, pfui Katze!
Nun komm mal her, du Unhold,
Sprach der Kammerjäger zum Maus.
Ich glaub’, du kannst fliegen, Geziefer.
Doch das Saufen treib ich dir aus!
Ich jage das Ungeziefer,
Und abends saufe ich drauf.
Doch wenn das Geziefer selbst säuft,
Hört der Spaß ja wohl auf.
Und er drückte den Fledermausmann
Unter die Bieroberfläche.
Dem Mausmann entwich alles Leben,
Und der Jäger bezahlte die Zeche.
In Rimini graute der Morgen,
Frau Fledermaus flog in den Baum.
Der Strand stank nach Seetang, sie stank,
Und ins Meer floß stinkender Schaum.
Fünfundzwanzig Mark fürs Überleben
Auf der Straße vorm Haus
Saßen Tauben und warteten.
Es war Abend und er sah hinunter
Und wartete auf etwas.
Macht nichts, sagte er sich,
Stand auf um im Lokal auf etwas
Zu warten und kämmte sich
Wie immer vorm Spiegel das Haar.
An der Kreuzung standen
Junge Frauen: laß uns
In Ruhe! las er
Aus ihren Augen, wie immer.
Wie immer lümmelten
Im Lokal Männer und redeten,
Kellnerinnen servierten
Gleichmütig Überlebens-Biere.
Auf dem Bierfilz fand er die Nachricht:
Fünfundzwanzig Mark
Fürs Überleben.
Macht nichts, sagte er sich und trank.
Morgen werde ich konzentrierter warten.
Alte Liebe
Ich sah dich heut im Auto,
Du fuhrst an mir vorbei.
Das Auto war dasselbe
Und du warst auch nicht neu.
Es regnete, du winktest
Mir zu im Wischertakt.
Der Regen hat mich schließlich
Hinter ein Bier gejagt.
Ich dachte als ich Bierschaum
Mir von den Lippen wischte,
An dein schönes Gesichtchen
Und unsere Geschichte.
Kummer und Träume von damals
Setzten sich da zu mir.
Die Leichen aus unserem Keller
Baten um ein Glas Bier.
Sie waren mir fremd geworden,
Ich erkannte sie kaum wieder
Mir fuhr der Schreck trotzdem
In Magen und in Glieder.
Ich spendierte den alten Bekannten
Eine schnelle Runde.
Dann pfiff ich auf die Gesellen
Und ging zur vollen Stunde.
Du wohnst jetzt drei Straßen weiter
Auf einem anderen Stern.
Ich hörte du willst bald wegziehn.
Dergleichen hörte ich gern.
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